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30 Nov. 2002
 
Studie - Die Situation muskelkranker Menschen am Beispiel der Steiermark
 
Anfang 2002 wurde vom Wissenschaftsladen Graz in Zusammenarbeit mit dem Land Steiermark und dem Fond Gesundes Österreich eine Befragung von muskelkranken Menschen im gesamten Bundesgebiet, mit einem Schwerpunkt auf dem Bundesland Steiermark durchgeführt. 264 Fragebögen wurden termingerecht zurückgeschickt und gelangten somit in die Stichprobe. Zusätzlich wurden 18 qualitative Interviews mit Betroffenen und Experten durchgeführt.
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Die Stichprobe von 264 Personen verteilt sich folgendermaßen:
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Muskeldystrophie: 50 Personen
Fibromyalgie: 37
ALS: 29
Spinale Muskelatrophie: 26
PNP, vererbt:21
Myasthenia gravis: 18
Myopathie: 17
Spastische Spinalparalyse:10
Myositis: 8
PNP, erworben: 7
Mehrere Muskel-KH:18
Andere od. unbekannt: 13
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Somit ist die Gruppe der Patienten mit amyotropher Lateralsklerose in dieser Stichprobe überproportional vertreten. Von den insgesamt 29 ALS-Patienten sind 15 männlich und 14 weiblich. Das durchschnittliche Alter dieser Teilstichprobe liegt bei 60,2 Jahren; die Alterspanne reicht von 39 bis 72 Jahre . Bei den Patienten traten Erstsymptome durchschnittlich im Alter von 57 Jahren auf. Im Mittel waren die Patienten zum Zeitpunkt der Befragung also seit 3 Jahren erkrankt. Die Gruppe der ALS-Patienten weist somit im Diagnosevergleich das späteste Krankheitsauftreten aber auch die kürzeste Latenz auf.
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Im folgenden Überblick werden die Ergebnisse der Stichprobe aller Muskelkrankheiten mit jenen der Teilstichprobe ALS gegenübergestellt.
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Bei den Gesamtergebnissen zeigt sich folgendes: Fast die Hälfte der Befragten (47%) gibt an, unter mittleren bis starken Schmerzen zu leiden. Jeder zehnte Patient leidet unter sehr oder eher starken Schmerzen. Zwei Drittel der befragten Muskelkranken gibt an, dass bei ihnen die Krankheit langsam fortschreitend verläuft; rund 13% berichten von einem schnell fortschreitenden Verlauf. Ein Fünftel erwähnt einen stagnierenden Verlauf.
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In der Teilstichprobe der ALS-Patienten (n=29) berichten 55% von einem langsam fortschreitenden Verlauf, 35% bemerken ein rasches Fortschreiten der Krankheit und 10% ein Gleichbleiben. Hier ist jedoch anzumerken, dass die Wahrnehmung des Fortschreitens der Krankheit vor dem Hintergrund der jeweiligen Erkrankung zu sehen ist – was für einen ALS-Patienten eine langsamer Verlauf ist, wird von Patienten anderer Krankheiten wiederum als sehr schnell wahrgenommen.
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Zur finanziellen Situation der Patienten: 37% aller Befragten sehen ihre finanzielle Lage als „entspannt“ an, fast genauso viele fühlen sich finanziell nicht abgesichert. Überraschenderweise wird auch von der Teilstichprobe der ALS-Patienten die finanzielle Lage im Durchschnitt als mittelmäßig abgesichert erlebt. Dies trotz erschreckender Zahlen bezüglich der finanziellen Situation der ALS-Patienten: Die durchschnittlichen Ausgaben dieser Patientengruppe für professionelle Dienste belaufen sich auf € 926,-/ Monat, sowie für Sonderausgaben € 347,-/Monat – bei einem angegebenen durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen von €1.646,-. Somit bleiben dem Patienten im Mittel nur zirka € 370,- pro Monat übrig.
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Patienten mit Muskelkrankheiten weisen einen guten Informationsstand bezüglich der Diagnose, der Angebote von Selbsthilfegruppen, der Prognose und der Therapie auf. Eher niedrig ist der Informationsstand bezüglich der Angebote von Ämtern/Behörden, der Unterstützung von Angehörigen und der Hilfe bei juristischen Problemen. Der hohe Informationsstand über Angebote von Selbsthilfegruppen ist darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der Befragten über Selbsthilfegruppen rekrutiert wurde (- die Fragebögen wurden teilweise von Selbsthilfegruppen ausgesandt). Betrachten hier vergleichsweise die Teilstichprobe der ALS-Patienten, so zeigt sich, dass bei dieser Gruppe die Zufriedenheit mit der medizinischen Aufklärung (wurde bei einer Folgefrage thematisiert) deutlich geringer als bei anderen Diagnosen ist – nur Patienten mit Fibromyalgie weisen eine geringere Zufriedenheit mit der Aufklärung von Seiten der Medizin auf.
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Insgesamt äußerst negativ wird der Stellenwert der jeweiligen Erkrankung in der medizinischen Forschung erlebt – fast drei Viertel aller Befragten vermuten, dass die jeweilige Erkrankung keinen ausreichenden Stellenwert in der medizinischen Forschung einnimmt. Bei den ALS-Patienten fällt dieses Urteil noch eindeutiger aus – 25 der 28 Befragten empfinden den Stellenwert der ALS in der medizinischen Forschung als überhaupt nicht ausreichend.
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In der Bewertung von öffentlichen Einrichtungen erreichen Selbsthilfegruppen, das Bundessozialamt und diverse Behinderteneinrichtungen die positivsten Bewertungen. Eher mittel bis negativ werden die Erfahrungen mit Krankenkassen, diversen Beratungsstellen (sofern vorhanden) und professionellen Pflegeeinrichtungen bewertet.
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Stichwort Selbsthilfegruppen: Fast die Hälfte aller Befragten beurteilen die Erfahrungen mit der Mitgliedschaft in Selbsthilfegruppen als sehr hilfreich, 17% beurteilen dies als eher hilfreich, für weitere 17% sind Selbsthilfegruppen mittel hilfreich und 17% erleben Selbsthilfegruppen als eher oder überhaupt nicht hilfreich. Selbsthilfegruppen werden in erster Linie wegen des Informationsaustausch besucht (208 Befragte gaben dies als Grund an), sie dienen der psychischen Stärkung (dies ist für 111 Befragte ein Grund), der Knüpfung von Freundschaften (wurde von 98 Befragten erwähnt) und der politischen Vertretung der Patienteninteressen (für 66 Befragte ist dies wichtig). Die Aufgaben von Selbsthilfegruppen liegen für die Befragten hauptsächlich in Anbieten von Hilfe für die Betroffenen (191 Befragte erwähnten dies), in der Informationsversorgung von Ärzten (171 Befragte) und in der Information der Öffentlichkeit (142 Befragte).
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In der Teilstichprobe der ALS-Patienten werden die Angebote der Selbsthilfegruppen als eher positiv bezeichnet. Von einer Selbsthilfegruppe wird in erster Linie Informationsaustausch (89%) und eine psychische Stärkung erwartet, die politische Vertretung (21%) und das Entstehen von neuen Freundschaften (17%) wird im Vergleich dazu als nicht so wichtig erlebt.
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Fast die Hälfte aller Befragten fühlt sich aufgrund der Erkrankung in ihren Beziehungsmöglichkeiten eingeschränkt; 39% aller Befragten gaben an, dass ihre Angehörigen durch die Erkrankung sehr stark belastet sind. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist das Abhängigkeitsgefühl von anderen Menschen unangenehm. Trotz dieser Zahlen werden die aktuellen sozialen Beziehungen – insbesondere zur Familie, zu ständigen Hilfskräften und Freunden – als eher positiv erlebt.
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Die Belastung von Angehörigen wird in der Teilstichprobe der ALS-Patienten als wesentlich intensiver erlebt – der Mittelwert auf einer Skala von 0= „Überhaupt nicht belastet“ bis 4=“extrem belastet“ beträgt bei ALS-Patienten 3,2. Auf der Liste der für den Angehörigen belastendsten Krankheiten rangiert die ALS in dieser Bewertung gleich nach der spastischen Spinalparalyse an der zweiten Stelle.
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Weiters wurde die Zufriedenheit mit der Lebenssituation insgesamt erfragt – hier rangieren ALS-Patienten im Diagnosevergleich an der letzten Stelle (mit einem Mittelwert von 1,4 auf einer Skala von 0=“sehr unzufrieden“ bis 4=“sehr zufrieden“). Den höchsten Rang bezüglich der Zufriedenheit erreichen Patienten mit Myotonie (2,6), Muskeldystrophie (2,6) und PNP, vererbt (2,4).
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Bei ALS-Patienten herrscht primär eine mehr oder weniger entmutigte, traurige Stimmung vor: Auf einer Sklala von 0=nie entmutigt“ bis 5=“immer entmutigt“ erreicht ALS den Mittelwert von 2,4, und im Diagnosevergleich liegt diese Krankheit auf dem dritten Rang.
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In dieser Studie wurde eine offene Frage nach den Wünschen der Patienten gestellt: 82 Nennungen fielen hier auf den Wunsch nach vermehrter finanzieller Unterstützung, 61 Nennungen auf den Wunsch nach mehr Aufklärung der Ärzte über die jeweilige Krankheit und 53 Nennungen fielen auf den Wunsch nach vermehrter Forschung.
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Welche Schlussfolgerungen kann man also aus dieser Studie ziehen? Der in dieser Studie vollzogene Vergleich verschiedener Muskelkrankheiten zeigt, dass für die Teilgruppe der ALS-Patienten spezifische Probleme bestehen:
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- Es besteht ein extremes Ungleichgewicht im Vergleich des Haushaltsnettoeinkommens zu den monatlichen Ausgaben für professionelle Dienste
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- Bei ALS-Patienten besteht eine hohe Unzufriedenheit mit dem Bereich der medizinischen Aufklärung. Auch die medizinische Forschung wird tendenziell als ungenügend erlebt
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- ALS-Patienten erleben darüber hinaus auch eine vermehrte Belastung der Angehörigen durch die Krankheit
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- Dementsprechend entmutigt ist auch die Stimmung der ALS-Patienten – hier schneidet diese Gruppe im Diagnosevergleich extrem schlecht ab.
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Quelle: ÖALSG


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AutorIn: Florian Brandl; Copyright: ÖALSG; Publiziert von: Florian Brandl (brandl)
infoID: 115541.1; Publiziert am 30 Nov. 2002 15:47